Rückblick auf ein Lebenswerk: Stadt Chemnitz und Wirtschaftsvertreter würdigen Prof. Dr. Carl H. Hahn

Nachdem der ehemalige VW-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. Carl H. Hahn im Januar 2023 gestorben war, ergriff der Chemnitzer Softwarehersteller community4you AG die Initiative. Das Ziel: dem gebürtigen Chemnitzer und Ehrenbürger Hahn würdig zu erinnern.

Bei einer Veranstaltung am 28.04.2023 im Chemnitzer Rathaus wurde das Lebenswerk des ehemaligen VW Vorstandsvorsitzenden Carl Hahn gewürdigt

Unser Anspruch ist es, die außergewöhnlichen Leistungen von Carl Hahn gebührend zu würdigen. Es ist bemerkenswert, welchen Einfluss Hahn auf Sachsen und auf seine Heimatstadt Chemnitz hatte. Ihm ist es zu verdanken, dass VW nach der Wiedervereinigung die sächsische Automobilindustrie vor dem Zusammenbruch rettete. Daran hängen heute mehr als 50.000 Arbeitsplätze.

Gestatten Sie, mich kurz vorzustellen: Ich bin Uwe Bauch, Vorstandsvorsitzender der community4you AG. Unser Firmensitz ist die Villa Hahn am Chemnitzer Stadtpark – benannt 2008 nach dem Mann, dessen Lebenswerk wir heute in vielen Reden gewürdigt haben.

Das Haus hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Erbaut 1923 vom Architekten Eugen Weber für den Fabrikanten Erich Barth, zwischenzeitlich verkauft an die jüdische Familie Frank, die 1933 in die USA emigrieren musste. Kurzzeitig war auch der Strumpfhersteller Luis Bahner aus Oberlungwitz Besitzer der Villa. Bis 1934 die Auto Union AG das Gebäude übernahm und es Carl Hahn Senior und seiner Familie als Dienstwohnung überließ. Hier verbrachten Carl und Wolfgang Hahn ihre Jugend. Später wurde das Haus im Krieg von Bomben getroffen, danach notdürftig repariert und zum DDR-Kinderheim umfunktioniert, 2003 brannte der Dachstuhl aus.

Dann übernahmen wir als community4you die Villa und machten uns daran, das Gebäude wieder in seinem ursprünglichen Glanz herzustellen. Es ist ein schönes Haus – keine Frage. Dass wir es retten konnten ist ein großes Glück. Aber nicht nur wegen der Architektur, der tollen Lage oder dem großen Garten, sondern ganz besonders auch weil wir auf diese Weise Carl Hahn kennenlernen durften.

Ich weiß noch wie heute, mein erster Anruf bei Carl Hahn. Carl Hahn war gleich begeistert. Da war keine Zurückhaltung, keine Reserviertheit uns gegenüber – einem noch kleinen und ziemlich unbekannten Unternehmen. Relativ schnell kam es zu einem ersten Treffen. Er war entsetzt und traurig über den Zustand seines früheren zu Hauses. Durch das zeigen und bereitstellen seiner Familienbilder – dem erklären, wo was wie war, ermöglichte er uns überhaupt erst die originalgetreue Sanierung der Villa.

Carl Hahn nutze viele Gelegenheiten das Haus seiner Jugend wieder zu sehen. Er wollte uns kennenlernen. Er zeigte ehrliches Interesse für unsere Arbeit und ließ sich alles ganz genau erklären. Und so blieb es in den 19 Jahren, die wir uns kannten, nicht bei einem Besuch. Aus gegenseitiger Wertschätzung entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung.

Ich erinnere mich gerne an die Besuche von Carl, Marisa und Wolfgang Hahn zurück. Man merkte gleich, dass er ein Mann von Format war. Kein Smalltalk, keine Plattitüden, sondern authentische, herzliche Gespräche. Er hatte eine gewinnende Art an sich. Offen sprach er über die Dinge, die ihn wirklich begeisterten und interessierten. Jeder Raum des Hauses weckte in ihm neue Erinnerungen. Er strahlte, als er erzählte wie die Familie Hahn Gäste empfangen hatte, wie die Zimmer eingerichtet waren, wie er und sein Bruder im Haus gespielt und mit streichen das Haus mit Leben erfüllt haben. Dass er diese Erinnerungen mit uns teilte, war ein großer Vertrauensbeweis.

Wir wussten: Carl Hahn hatte auf der Welt so ziemlich alles gesehen. Als internationaler Top-Manager verkehrte er Zeit seines Lebens mit den Reichen, Schönen und Mächtigen. Wie geht man mit so einem Menschen um? Wir wussten erst nicht, was wir so einem Mann überhaupt bieten können. Es war wohltuend zu sehen, dass er sich nicht an Glanz und Glamour erfreute, sondern an den kleinen Dingen. An Aufmerksamkeiten oder daran, mit meinem Geschäftspartner italienisch sprechen zu können.

Was wir hier heute erinnern und würdigen, ist nicht nur das außergewöhnliche Leben und die Erfolge von Carl Hahn. Wir würdigen einen Mann mit Charakter. Einen bodenständigen Mann mit Werten und Prinzipien. Einen Mann, der seine Wurzeln nie vergessen hat, obwohl er die ganze Welt gesehen und schließlich in Wolfsburg eine neue Heimat gefunden hatte. 

Ihm zu Ehren pflanzten wir im vergangenen Jahr gemeinsam mit der SIS einen Ginkgo - einen Lebensbaum. Leider war Prof. Hahn körperlich nicht mehr in der Lage persönlich teilnehmen zu können.

Carl Hahn hat nicht nur Arbeitsplätze hinterlassen oder einen internationalisierten VW-Konzern. Er hinterlässt Menschen, die ihm vieles verdanken und die sich gerne an ihn erinnern.